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Radioökologische Bildung an der Dorfschule von Zelenochi - Zentrum für praktische radiologische Untersuchungen errichtet

Aktualisiert: 4. Nov.


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Seit dem Schuljahr 2024/25 unterstützt unser Verein ein außergewöhnliches Bildungs- und Forschungsprojekt an der Dorfschule im belarussischen Zelenochi, das sich im Verwaltungsbezirk Gomel befindet:

Die Schule hat hier im Herbst 2024 mit unserer Hilfe das Zentrum für praktische radiologische Untersuchungen eingerichtet. Sie wird auch von Kindern aus sechs umliegenden Dörfern besucht und verfügt über 16 Lehrkräfte und 14 weitere Beschäftigte.

Im Rahmen des Projekts lernen die Schüler*innen nicht nur theoretisch über Strahlung, Radionuklide und deren biologische Wirkung, sondern führen selbstständig Messungen und Untersuchungen im Umfeld ihrer Dörfer durch. Der Unterricht umfasste Themen wie:

  • Grundlagen der Radioaktivität, Halbwertszeiten und Zerfallsprozesse

  • Auswirkungen von Radionukliden auf Boden, Pflanzen und den menschlichen Körper

  • Methoden der Strahlungsmessung und -überwachung

  • Wege zur Reduzierung radioaktiver Belastungen in Lebensmitteln und Umwelt


Untersuchungen und Messergebnisse in Umwelt und Lebensmitteln

Obwohl Zelenochi selbst im aktuellen Kontaminierungskatalog des Gesundheits-ministeriums der Republik Belarus nicht aufgeführt ist, gelten mehrere Nachbardörfer – darunter Korma und Solonik – weiterhin als radioaktiv belastet. Die Region ist nach wie vor von den langfristigen Folgen des Tschernobyl-Unfalls betroffen: Zwar hat sich die Kontamination durch den Zerfall einiger Radionuklide verringert, doch insbesondere Cäsium-137 bleibt im Boden, in der Vegetation und in Teilen der Nahrungskette nachweisbar.

Im Projektzeitraum von Oktober 2024 bis Juli 2025 führten die Schüler*innen zahlreiche Messungen an Proben aus Wald, Schulgarten und umliegenden Kolchosen durch. Untersucht wurden Obst und Gemüse aus dem Schulgarten, Bodenproben aus der Umgebung und Wasser aus lokalen Reservoiren.

Das Ergebnis war differenziert, aber insgesamt erfreulich:

  • Die Früchte und das Gemüse aus dem Schulgarten und vom Schulacker wiesen keine erhöhten Strahlenwerte auf. Da diese Ernte im Rahmen des täglichen Schulessens verarbeitet wird, ist dies eine besonders positive Nachricht.

  • Auch die meisten Bodenproben aus der Umgebung zeigten unbedenkliche Werte.

  • Abweichungen wurden allerdings in einigen Trinkwasserproben aus Reservoiren im Dorf Zelenochi festgestellt.

Diese praktischen Untersuchungen weckten bei den Schüler*innen großes Interesse und stärkten ihr Bewusstsein für die Bedeutung von Umwelt- und Lebensmittel-sicherheit. Sie lernten, mit Messgeräten umzugehen, Ergebnisse zu dokumentieren und ihre Schlüsse zu ziehen – ein wichtiger Schritt hin zu selbstständigem Forschen und verantwortungsvollem Handeln.

Strahlenexposition der Schüler*innen und gesundheitliche Begleitung

Parallel zu den Umweltuntersuchungen wurde die Strahlenexposition der gesamten Schülerschaft sowie einiger Lehrkräfte mittels des von BELRAD zur Verfügung gestellten Strahlenspektrometers WBS (Whole Body Counter) gemessen. Dabei wurden bei rund 50 Prozent der Kinder Cäsium-137-Werte oberhalb der Normgrenze festgestellt. Um die Belastung zu senken, erhielten im Mai 2025 alle Schüler*innen eine Kur mit dem Pektinpräparat VITAPEKT, das die Aufnahme von Cäsium-137 im Körper reduziert. Nach Abschluss der Kur sank die durchschnittliche Belastung um 16 Prozent – ein sichtbarer Erfolg angesichts der Tatsache, dass die Kinder weiterhin in einer kontaminierten Umgebung leben und immer wieder mit belasteten Lebensmitteln in Kontakt kommen.

Untersuchung mittels des WBC (Whole Body Counter), welcher auch von Japanischen Wissenschaftlern in Fukushima für Messungen eingesetzt wird
Untersuchung mittels des WBC (Whole Body Counter), welcher auch von Japanischen Wissenschaftlern in Fukushima für Messungen eingesetzt wird

Wissen schafft Bewusstsein

Für viele der Kinder war dies die erste Begegnung mit wissenschaftlicher Arbeit – und mit der Tatsache, dass ihre Heimat nach wie vor radioaktiv belastet ist. Durch das Projekt lernen sie, Risiken zu erkennen, Schutzmaßnahmen zu verstehen und ihr Wissen weiterzugeben – an Familien, Freund*innen und Nachbarn.

So entsteht ein wachsendes Bewusstsein in der gesamten Dorfgemeinschaft.

Forschungsinstitut BELRAD sehr zufrieden mit Zusammenarbeit

Die Leitung des Projekts übernahm der Schulpädagoge Ivan Yurgevich, Lehrer für Informatik und Physik, der eigens vom Unabhängigen Strahleninstitut BELRAD (Minsk) geschult wurde. BELRAD stellte zudem die notwendige Messtechnik und Analysegeräte zur Verfügung. Dr. Alexey Nesterenko, Leiter des Instituts BELRAD, zeigte sich überaus zufrieden mit der Zusammenarbeit:

„Die Schule von Zelenochi ist ein Beispiel für außergewöhnliches Engagement. Hier verbinden sich Bildung, Forschung und Verantwortung auf beeindruckende Weise. Die Kinder lernen nicht nur, wie Radioaktivität wirkt – sie lernen, wie man ihr begegnen kann.“

Auch Schuldirektor Leonid Tschernjakov und das Kollegium unterstützen das Projekt mit großem Einsatz. Die Schule verfügt über landwirtschaftliche Flächen und einen praktischen Agrarschwerpunkt – ideale Voraussetzungen, um Umweltbildung und Strahlenschutz miteinander zu verbinden. Ausblick auf das zweite Projektjahr

Dank der finanziellen Unterstützung unseres Vereins konnte das Projekt im gesamten Jahr 2024/25 erfolgreich durchgeführt werden. Die Förderung bis Juli 2026 ist bereits zugesichert, damit weitere Schülergenerationen in die theoretische und praktische Arbeit einsteigen können.

Für das kommende Jahr sind weitere Vorhaben geplant:

  • eine Ausweitung der Messkampagnen,

  • die Erstellung radioökologischer Karten der Umgebung,

  • sowie die Vertiefung des praktischen Unterrichts im Zentrum für radiologische Kultur.

Das Projekt in Zelenochi zeigt eindrücklich, wie Bildung und Wissenschaft vor Ort dazu beitragen können, den Alltag in einer nach wie vor kontaminierten Region sicherer und bewusster zu gestalten. Die Schüler*innen gewinnen nicht nur Wissen, sondern auch Selbstvertrauen – und die Fähigkeit, Verantwortung für sich und ihre Umwelt zu übernehmen.

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Presseartikel in Belarus (v.l.: Schulpädagoge Yurgevich u. Schuldirektor Tschernjakov)

 
 
 

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Spendenkonto:
Hilfe für Tschernobyl-geschädigte Kinder e.V.
IBAN: DE 79 3705 0299 0194 0084 00

BIC: COKSDE33XXX

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